Direktor Sascha Melnjak vom Zirkus Charles Knie im Interview für die Sindelfinger Zeitung / Böblinger Zeitung
Der Zirkus Charles Knie schlägt von Mittwoch, 26. Oktober, bis Sonntag, 6. November 2022, seine Zelte auf dem Flugfeld zwischen Sindelfingen und Böblingen auf. Spaß, Unterhaltung und Staunen, das gehört zur Zirkustradition dazu. Im Vorfeld habe ich mich mit Zirkusdirektor Sascha Melnjak über das aktuelle Programm und den Zirkus an sich unterhalten.
Unterhaltung heißt inzwischen für viele: zu Hause vor dem Bildschirm. Ist das Thema Zirkus heute noch zeitgemäß?
Sascha Melnjak: „Ich glaube, gerade darin liegt unsere Chance. Wir stellen vermehrt fest, dass unsere Gäste wieder Lust auf authentische Live-Unterhaltung haben. Konservenkonsum ist auf Dauer doch langweilig. Mit vielen Menschen und noch mehr Popcorn gemeinsam etwas Tolles erleben, das hat doch was. Ob Zirkus zeitgemäß ist oder war, kann man gar nicht beantworten und ist auch nicht so wichtig. Er ist auf jeden Fall eine besondere Familienunterhaltung.“
Ein Blick auf das Programm verrät, dass sich im Zirkus Charles Knie vieles verändert hat. Zuerst fällt auf, dass wenige Tiernummern das Programm bereichern. Welche Gründe haben dazu geführt?
Sascha Melnjak: „Die aktuelle Produktion ist ja ganz neu und erst seit Juni auf Tournee. Die letzten beiden Jahre haben wir in unserem Winterquartier in Einbeck den Familienpark ‚Charles Knie’s Circus-Land‘ gegründet. Das war eine Möglichkeit für uns, Mensch wie Tier, über die ungewisse Zeit der Corona- Pandemie zu kommen. Auch dieses Jahr wussten wir lange nicht, ob wir überhaupt auf Tournee gehen können. Deshalb haben wir uns früh dazu entschlossen, die eigenen Tiernummern zu Hause in Einbeck zu lassen, sie ergänzen dort das Showprogramm. Was die Tournee anbelangt, haben wir auch, wie in den Jahren zuvor, zusätzlich Artisten und ihre Tiere für das aktuelle Programm engagiert. Auf unserer neuen Bühne ist dies nur eingeschränkt möglich. Denn die Wasserbühne würde dem Gewicht von Pferden und anderen großen Tieren nicht standhalten. Aber auch scheinbar kleine Tiere vollbringen Großes und eins ist garantiert: Klein und Groß werden darüber staunen.“
Die Werbung gibt schon einen Ausblick auf die Wasserbühne. Was genau muss sich der Zuschauer darunter vorstellen?
Sascha Melnjak: „Es ist ein Experiment, das in Coronazeiten von einem kreativen Artisten entwickelt wurde. Europas einzige transportable Wassermanege ist mit 100 000 Litern Wasser, 300 Pumpen und einer ausgeklügelten Lichttechnik ausgestattet. Die Artisten auf und über der Manege verschmelzen zu einer Einheit und zeigen preisgekrönte Nummern.
Ein ganz anderes Zirkuserlebnis entführt die Besucher auf eine fantasievolle Reise. Dazu gehört auch, dass wir dieses Mal keinen Zirkusdirektor in der Manege haben, sondern eine Stimme durch das Programm führt. Ältere Besucher werden sie vielleicht kennen, die Stimme gehört Rebecca Siemoneit-Barum, sie war als Iffi Zenker in der Fernsehserie ‚Lindenstraße‘ zu sehen. Unsere Familien verbindet schon lange eine besondere Freundschaft und wir freuen uns, dass sie mit uns durch die Show leitet.“
Wie gelingt es, das vielköpfige Team über einen solch langen Zeitraum einer Tour bei Laune zu halten? Schließlich muss jeder nahezu immer zweimal am Tag Höchstleistungen liefern.
Sascha Melnjak: „Der Zirkus Charles Knie ist mit knapp 100 Menschen auf Tournee. Es sind also nicht nur Höchstleistungen in der Manege, sondern auch in den vielen anderen Bereichen, in der ja die Mehrzahl unserer Mitarbeiter tätig sind, notwendig. Deshalb ist bei uns der Star die Mannschaft. Wie in jedem Jahr ist in der kurzen Zeit ein großes ‚Wir‘ entstanden, zu dem jeder seinen Teil beiträgt.“
Böblingen ist, wie in den vergangenen Spielzeiten, der Abschluss der Tournee. Was verbinden Sie selbst mit der Region und den Menschen?
Sascha Melnjak: „Ich bin in Stuttgart geboren und deshalb ist das auch immer so etwas wie ein Heimspiel. Vieles ist hier vertraut und ich freue mich immer, wenn auf dem Flugfeld das rot-weiße Zirkuszelt steht. Aber Böblingen sehe ich auch immer mit einem lachenden und auch weinenden Auge.
Denn so toll das Publikum, der Platz und die Rahmenbedingungen sind, heißt es doch am Sonntag, 6. November, auch Abschied nehmen. Abschied von den Artisten, die nach dieser Tournee ihr Können wieder woanders präsentieren. Und auch wenn die Tournee zu Ende ist, ist für einen Zirkusdirektor nicht an Urlaub zu denken. Zunächst muss alles im Winterquartier ankommen und der Blick in die Saison 2023, der gehört auch zu meinen Aktivitäten in den Zeiten nach der Tournee. Zusätzlich präsentieren wir in unseren beiden großen Weihnachtszirkussen in Heilbronn und Offenburg jedes Jahr komplett neue, exklusiv für die Weihnachtszeit zusammengestellte Programme der Spitzenklasse. Da steckt auch richtig viel Arbeit drin.“